Die Schweiz hat ausgesprochen liebenswerte Seiten, auch die Schweizer*innen. Natürlich. Mit welcher Hingabe sich alle, die ich kenne, kleinen Dingen zuwenden. Welche Beachtung sie Details schenken.

Wie sich sonst stille Kolleginnen freuen, wie sie kommunikativ aufblühen angesichts einer neuen Kaffeemaschine in der Büroetagenküche, die nun endlich ohne diese absurden Metallpäds funktioniert. Ich finde das auch gut, nur zur Klarstellung, aber die Begeisterung heute Nachmittag hat mich berührt. In einem kleinen Picobello-Land, in dem sich ohnehin die meisten Bewohner*innen in einer langgestreckten Tallage zwischen Alpen und Jura zusammendrängen und ansonsten die Hänge und Ufer der Gebirgsseen und -flüsse bewohnen, muss das wohl so sein: die ästhetische Befreiung ins Kleine hin, die Befreiung des Schöpfertums in den Nuancen. Oder eben in architektonischen Herzog-deMeuron-Kraftakten, die sich trotzig hineinzwängen ins Enge, befremdlich aufragen daraus, irgendetwas sagen wollen, am besten aber doch in Peking zur Geltung kommen. Naja, ich schweife ab.

Auf diesen Augenblick habe ich mich seit Wochen gefreut, nun ist er da und sie auch. Sie, die beiden neuen Bilder in meiner engen, aber transparenten neumodischen Campuszelle, die mein arkanes Büroschaffen glücklich abheben soll vom vom Elend der Open-Office-Savannen auf gleicher Etagenebene.

Die Baselländischen Kunstsammlungen nutzen nun auch die Wände meiner Zelle als Ausstellungsfläche, und ich war in der für mich ungewöhnlichen Lage, als Kustode dieser Spezialschau wirksam werden zu dürfen. Unten gibt es einen Blick in das Lager der Sammlung, die von ausserordentlichen kompetenten Kunstsachverständiginnen gepflegt wird. Der Kanton, oder genauer: Halbkanton Baselland kauft regelmässig mit einem nicht zu grossen Budget Werke regionaler „Kunstschaffender“ auf, wie man früher so treffend formulierte. Das ist eine sicher willkommene Unterstützung für diese Schmetterlinge unserer Gegenwart, es dokumentiert auch über die Zeit, was im Kanton wie zur Welt gebracht wird, mit dem Anspruch des Künstlerischen. Diese aufgekauften Werke werden dann nicht im Speicher weggeschlossen, sondern an Verwaltungsräumlichkeiten mit Publikumsverkehr, zu denen auch meinen Zelle der Transparenz zählt, ordentlich ausgeliehen. Gute Sache.

Eine tolle Sache war’s, in Begleitung einer der Sammlungsmitarbeitenden durch die selbe, die Sammlung, zu steigen (siehe Foto), und sich ein Bild relativ frei aussuchen zu können. Wahrscheinlich kann man eine nette Studie darüber anstellen, was und von welcher Art sich die Kolleg*innen jeweils etwas ausgewählt haben.

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Ich tat mich recht schweer, obwohl ich sonst bei einer Nahestehenden als fürchterlicher Spontanbauchentscheider gelte, zu Recht. Es war doch vieles da zu finden, das ich nicht gerne um mich haben wollte. Die Sammlung will sich nun gewiss nicht mit der eines Museums vergleichen, aber … nun … ich war etwas enttäuscht.

Drauf und dran war ich!, ohne Entscheid von Liestal wieder wegzufahren. Das war mir im emotionalen Vorgriff etwas unangenehm freilich. Ich fürchtete schon dem Stereotyp des arroganten Düetschen neue Nahrung zu geben, dabei bin ich gar kein BUNDI! – wie ich selten zu erwähnen vergesse bei den den entsprechenden Gelegenheiten, was mir von Schwiizer Seite gleich auch immer etwas Credibility einträgt. Nun, … achso.

Ich stahl mich von meiner sachkundigen Begleitung etwas davon, die ich dem Beratungsgespräch mit einer geschätzten Kollegin überliess und schnüffelte noch ein letztes Mal herum. In der buchstäblich hinteren Ecke, auf dem Bild unten gar nicht mehr sichtbar, hinter einem Stapel irgendwas, – ich will nun nicht unnötig dramatisieren, aber es war schon schnüffelschnüffelmässig toll, ich liebe so etwas – sah ich dann, schimmernd wie eine echte Perle unter auch sehr schönem (!!!) Schmuck: den (–>) Burkhard Mangold. Im Moment der Sichtung wusste ich zugegebenermassen noch nicht, wer der Kunstschaffende gewesen war, aber dieses Bild.

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Warmer Sommertag, 1941, Anfang Juli, Idylle, das Flüsschen noch nicht reguliert, lockere Wölkchen tupfern den blauen Himmel, es ist nicht heiss, ein lindes Lüftchen geht und bewegt das ungemähte Gras und die Eschen, ein strohgelbes Kornfeld lugt vor einem dunklen Waldrand des Jura in die Szenerie, ein Wetterumschung deutet sich an, der Betrachter atmet leicht auf, über die leichte Sommerbrise oder auch weiterhin über den Scheissfrieden, in dem er stehen darf, so geschenkt, allein und in Ruhe gelassen, während Millionen deutscher Männer mit ihrer rumpelden Fahrzeugen, ihren in die Schulter schneidenden Riemen der Karabiner und lMG, ihre Staubfahnen durch die ostpolnischen Ebenen ziehen, immer immer weiter nach diesem zurückweichenden Osten, um der selbsterklärten Herrenrasse neues Siedlungsgebiet zu unterjochen.

Der Maler Burkhard ist 68 Jahre alt, hat noch neun zu leben, was ihm an diesem Fluss selbstredend unbekannt bleiben musste, und hat schon alles gesehen, sich mühsam hochgearbeitet zu einem inzwischen international anerkannten Künstler. Es hat unendliche viele Plakate gestaltet, was seinen Ruhm im speziellen begründete und Häuserwände bemalt. Die bürgerlichen Honoratioren mögen das und gaben ihm viele Repräsentationssteigerungsaufträge. Man sieht es heute noch an einigen Stellen von Basel-Stadt, am Rathaus zum Beispiel. Davon liess sich leben, neben seinen Stunden im Büro und in den Unterrichtsräumen der Basler Gewerbeschule, die ihm über Jahre eine Sicherheit und anerkannte Angestelltentätigkeit bedeuteten. Aber doch, herrjeh, Gewerbe.

Jetzt an der Birs, einem der kleinen Zuströme zum Rhein am Südhang des Jura, heute noch immer ein Refugium im betonalen Stadtkörper, besonders im Sommer, steht und sinnt er.

Und ich darf ab heute mit ihm sinnen.

 

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