Ein spontan geschossenes Bildchen. Was sieht man?
Nein, es ist auf dem Foto kein heroenbeschrittener Weg mit imperialer Relevanz abgebildet. Ein lesender Arbeiter würde allerdings möglicherweise sagen: Doch er ist genau das.
Der Weg verbindet ein Bauerndörfchen ohne geschriebene Geschichte und einer Einwohnerzahl, die zwischen 1849 und 2013 fast gleich geblieben ist (um 250), mit den ertragreichen Feldern und Wiesen an der Ruhr. Zerschnitten wird der Weg seit dem 1. Juni 1870 von der Oberen Ruhrtalbahn, die in diesem Abschnitt zwischen Schwerte und Arnsberg (in der Provinz Westfalen des Königreiches Preussen im Norddeutschen Bund), die Emser Depesche wurde 6 Wochen später „verfasst“, an jenem Tage dem Verkehr übergeben wurde.
Eine Nebenstrecke heute wie damals, für die Bewohner*innen des Sauerländischen Berglands aber eine zentrale Verbindung in die von ihnen so betrachteten Metropolen des Ruhrgebiets. Das Dörfchen, das der Weg nach Süden hin mit den landwirtschaftlichen Nutzflächen an der Ruhr verbindet, trägt den Tausendnamen Altendorf, 1968 wurde es nach dem ca 8 Kilometer entfernten Landstädtchen Fröndenberg eingemeindet. Nach Norden schliessen sich die steil ansteigenden Züge des Haarstrangs an, von der dortigen Höhe der Ruhr noch einmal etwa 150 Meter.
Auskömmliche Wirtschaft war hier, abseits des geschäftigen, aber auch unruhigen nördlich liegenden Hellwegs und seiner Städte, an der Ruhr zu machen, an der sich seit dem Tertiär eine schmale und relativ feuchte Erosionsebene breit genug machte. Dass dies nicht viel mehr als Subsistenzwirtschaft sein konnte, mögen die stabilen Einwohnerzahlen zeigen. Dort, wo sich keine Industrie ansiedelte, wie in vielen kleinen Gemeinden des Sauerlands, dort blieb alles, wie es war.
Da dieses mittlere und obere Ruhrtal seit mehr als 100 Jahren Wasserschutzgebiete sind, ist dem landwirtschaftlichen Einsatz von Chemie eine enge Grenze gesetzt. Wer hier Fahrrad fährt, fährt heute durch ökologischen Landbau. Es ist ein geschütztes, mildes, durch Gewässerregulierung seit Menschengedenken gut nutzbares und für seine Bewohner friedliches Land, das nur einmal, als im Mai 1943 englische Flugzeuge den Damm des oberhalb liegenden Möhnestausees sprengten, zum Schauplatz des Krieges wurde. Über den Weg vom kleinen Dörfchen, dessen Alter schon sein Eigenname markiert, sind unzählige Generationen von Bauern auf die Ruhrwiesen gezogen, um das kümmerliche Dasein ihrer Familien zu fristen. Immer wieder neu.
Der Bahntrassenbau 1870 bedeutete den Einbruch des industriellen Zeitalters in diese Dörflichkeit – ihre Fremdheit, Unzugehörigkeit hat diese Technik der Anbindung an ein weltweites Verkehrsnetz in dieser Landschaft bis heute nicht verloren. Das sollte mein Bild zeigen.
Quelle: GoogleMaps
Ursprünglich als spontane Antwort auf Facebook, dann als Twitterthread im Juli 2019: https://twitter.com/mdemanto/status/1149024687810326528?s=20