Acht Jahre darauf gespart, Altpapier (SERO!) gesammelt, in den Ferien in allen möglichen Fabriken geschuftet, die Jugendweihe-Kasse beiseite gelegt, 2700,- Mark. Motorrad-Fahrschule auf uralten Militärkrädern beim GST-Stützpunkt des Reichsbahnausbesserungswerks Delitzsch. Im 9-m2-Kinderzimmer meiner Schwester und mir hing über Jahre dieses Bild an der Wand.

Bildschirmfoto 2019-06-12 um 19.51.41

Auf den Tag genau vor 33 Jahren in Eilenburg gekauft, abgöttisch geliebt, mehrfach auseinander- und wieder zusammengebaut. Schutzbleche gekürzt, Traktorscheinwerfer angepfriemelt, Seitenträger montiert, coole Rückspiegel und verchromte Federkappen erstanden, Integralhelm aus Leningrad mitgebracht, braune Kunstledermotorradjacke im Highlander-Style, Motorradhandschuhe bis über die Ellenbogen.

Der Schulweg (500 Meter bis zum Ende der POS „Otto Grotewohl“ im Altneubaugebiet, dann zur EOS in die mittelalterliche Stadtmitte zwei Kilometer) ab sofort mit „der Karre“; — aufgebohrte Auspuffrohre, gigantisch qualmend in der Kälte, beissender Zweitaktergeruch immerzu, wilde Ferientouren mit Freunden (und Freundinnen), noch wildere Frustrationsabfuhrtouren durch die Tieflandsbucht an spätpubertären Verzweiflungsabenden. Ein Wunder schon, dass ich das überlebt habe. 120 km/h in der Spitze.

Die DDR hatte die höchste Zweiraddichte der Welt, habe ich irgendwo mal gelesen. Das war Element jugendlichen Lebensgefühls und der kleinen Freiheit in den 1980ern. Überall Jugend, die sich abends traf, auf ihren individuell zugerichteten Simsons und MZs sitzend, hier- und dahin brausend. Immerzu lässig rauchend. Very cool herumlungernd. Sich mächtig fühlend. Jugend überall.

Irgendwann 1992 habe ich die Maschine an einen indischen Kommilitonen in Leipzig für 50,- DM verscherbelt. Ich hatte mir einen Wartburg für 100,- DM gekauft. Auch ein Wertverfall.

Daran musste ich gerade denken, da Hans Hütt (in ganz anderen Zusammenhängen) auf Twitter „Ab nach Ulaanbaatar!“ geschrieben hat – denn so hiess sie für mich, die Maschine aus dem erzgebirgischen Zschopau: „Roter Recke“. Erinnerung ist ein läufige Hündin.

Begleitmusik war diese: https://www.youtube.com/watch?v=6cSN0B7UvlU
(ein paar authentische Bilder im Video)
Fußnote: Denn wer das Herz auf dem rechten Platz hatte, der war ein Blueser.

Der Kickstarter konnte ziemlich fies hart zurückfedern.

P.S.: Das ist doch alles noch gar nicht lange her.

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