Manchmal weht sie mich an, die Kindheit. Ein Geruch, ein Anblick irgendwie, eine Musik, ein Mensch, ein Traum.
Minou, mittel-motiviert wie täglich klavierübend, lässt Melodiefetzen durch den Korridor an meinen Schreibtisch schleichen. Erst hört man es nicht, dann, aufmerkend, ist es da, diese Wahrnehmung: schon empfunden, viele Male, irgendwann, weit zurück. Aber was ist das?
Hinüber, Rollendurcheinander, Auch-Kind oder kontrollierender Vater, Blick auf die Partitur: Klavierkonzert Nr 1, Tschaikowski. Klar!
Aber woher kenne ich das so, auf diese … verinnerlichte Weise?
Aus dem Radio. „Deutschlandsender“, dann „Stimme der DDR“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Stimme_der_DDR). Es finden sich wenig Informationen heute; aber es gab dort (siehe Bild) seit Ende der 1950er Jahre jährlich eine staatlich gelenkte Solidaritätsaktion von einem „Komitee zum Schutze der Menschenrechte“ (https://de.wikipedia.org/wiki/DDR-Komitee_für_Menschenrechte).
Natürlich, selbstredend, eine Propagandaveranstaltung sondergleichen, denn die Menschenrechte wurde nur ausserhalb der DDR, im Westen oder den Ländern Lateinamerikas, Afrikas oder Asiens verteidigt. Schon dieser Titel „Dem Frieden die Freiheit“! Politische Chuzpe. Und doch, wer das versteht, versteht viel von dem, womit sich so viele haben einfangen lassen seit Karl Marx (http://bit.ly/2nglnyH).
Mich als kleiner Junge, immer Radio hörend (bei uns lief der für das Ausland bestimmte DDR-Sender bis … aber das ist eine andere Geschichte), hat die Verbindung dieses Tschaikowski’schen Anfangsmotivs mit den exotischen Geschichten des Moderators und der vorgeblichen Hochherzigkeit tief berührt. Tief geprägt offenkundig sogar. Internationale Solidarität!
Auch mit Mühe habe ich heute allerdings keine akustische Quelle dieser Sendung gefunden.
Man findet Aktenbestände (https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/…/NVZSQRTZ27UXW…), man findet Artikel in den Zeitungsarchiven.
Minou werde ich die Geschichte auch irgendwann erzählen, von dem kleinen Jungen, der mit dieser Melodie im Herzen ein Held werden wollte und in die Welt hinaus.
Hier ein Tape mit der unvergleichlichen 34-jährigen Martha Argerich, 1975, Orchestre de la Suisse Romande (Charles Dutoit).
(ursprünglich nicht-öffentlich auf Facebook am 26. Januar 2018)